Ihre Apotheke als großer Werbeträger für einen Onlineshop?!
Was CapCut & Co. mit Ihrer Stimme, Ihrem Gesicht und Ihren Mitarbeitenden tun dürfen – und warum das ein digitaler Albtraum für Apotheken werden kann.
Stellen Sie sich vor:
Ihr Team dreht ein sympathisches Video für Instagram. Eine PTA erklärt, wie Nasensprays richtig verwendet werden. Alles authentisch, freundlich, informativ. Das Video wird mit CapCut geschnitten – wie so viele. Exportiert. Gepostet. Und dann…
🚨 Wochen später taucht dasselbe Video in einer fremden Werbung auf TikTok auf. Eingebettet in einen Spot für ein dubioses Online-Medikamentenportal.
🚨 Ihr Gesicht. Ihre Stimme. Ihre Apotheke. Ohne Kontrolle. Ohne Kontext. Ohne Zustimmung.
Unvorstellbar? Nein, genau das erlauben Sie CapCut mit einem Klick auf „Zustimmen“.
Die bittere Wahrheit in den aktualisierten CapCut-AGB.
In einer Zeit, in der die Sichtbarkeit einer Apotheke zunehmend über Social Media definiert wird, in der Menschen nicht nur Arzneimittel, sondern Vertrauen, Nähe und Glaubwürdigkeit suchen, ist die digitale Präsenz einer Apotheke längst mehr als ein hübsches Schaufenster – sie ist ein Ausdruck von Haltung, von Seriosität und Menschlichkeit. Umso alarmierender ist, was sich in den AGB einer der derzeit meistgenutzten Video-Apps verbirgt: CapCut, ein Werkzeug, das viele Apotheken aus dem Alltag nicht mehr wegdenken möchten, hat seine Nutzungsbedingungen geändert. Und mit einem Mal stehen grundlegende Persönlichkeitsrechte zur Disposition – Rechte an Stimme, Gesicht, Identität.
Seit dem 12. Juni 2025 gelten bei CapCut neue AGB. Und auch wenn viele Nutzer:innen sie wie üblich ungelesen akzeptieren, lohnt sich in diesem Fall ein genauer Blick. Denn die Klauseln zur Verwendung sogenannter „User Content“ – also der von Nutzer:innen erstellten Inhalte – gehen weit über das hinaus, was man von einer Videobearbeitungs-App erwarten würde. Wer Inhalte über CapCut hochlädt oder verarbeitet, überträgt dem Betreiber – dem chinesischen Tech-Giganten ByteDance, der auch hinter TikTok steht – umfassende Nutzungsrechte. Und das nicht nur an Musik, Text oder Videomaterial, sondern explizit an Stimme, Gesicht und digitaler Identität.
In den aktuellen Bedingungen heißt es, man gewähre CapCut und seinen Partnerunternehmen eine „unconditional, irrevocable, non-exclusive, royalty-free, fully transferable, perpetual, worldwide license“ zur Nutzung der Inhalte. Und nicht nur das – die Lizenz umfasst ausdrücklich auch die Nutzung des „username, image and likeness“, also des Namens, des Abbilds und der Ähnlichkeit einer Person. Diese Begriffe klingen juristisch-technisch, aber was sie bedeuten, ist erschreckend einfach: CapCut darf Ihr Gesicht, Ihre Stimme, Ihre Gestik, ja sogar Ihre Körpersprache oder Ihre Art zu sprechen in anderen Kontexten verwenden. Weltweit. Auf unbegrenzte Zeit. Und vor allem: auch für kommerzielle Zwecke.
“By submitting User Content via the Services, you … hereby grant us and our affiliates, agents, service providers, partners and other connected third parties an unconditional, irrevocable, non-exclusive, royalty-free, fully transferable (including sub-licensable), perpetual, worldwide license to use, modify, adapt, reproduce, make derivative works of, display, publish, transmit, distribute and/or store your User Content for providing the Services for you.” Und weiter: “You further grant us … a royalty-free … worldwide license to use your username, image and likeness to identify you as the source of any of your User Content, including for use in sponsored content.”
Das kann bedeuten, dass ein kurzer Erklärclip aus Ihrer Apotheke irgendwann – eingebettet in einen TikTok-Spot für Nahrungsergänzungsmittel – erneut auftaucht, ohne dass Sie je davon erfahren oder gefragt wurden. Ihr Gesicht, Ihre Stimme, Ihre Apotheke – fremdgesteuert. Link Quelle: https://www.capcut.com/clause/terms‒of‒service?lang=en
Was dabei oft übersehen wird:
Diese Rechteübertragung geschieht nicht erst, wenn das Video veröffentlicht wird. Sie geschieht bereits beim Speichern des Entwurfs – sobald Inhalte über CapCut in der Cloud landen, gelten diese Nutzungsrechte. Das heißt, selbst interne Videos, nicht veröffentlichte Projekte oder Probeaufnahmen können betroffen sein. Wer einmal zustimmt, kann die Lizenz nicht widerrufen. Nicht löschen. Nicht zurückholen.
Für Apotheken, die sich im Spannungsfeld zwischen moderner Kommunikation und Datenschutzverantwortung bewegen, ist das ein gravierendes Problem. Denn hier geht es nicht nur um Rechte am eigenen Bild. Es geht um Vertrauen, um Integrität, um das Verhältnis zu Mitarbeitenden und Kund:innen. Die DSGVO kennt beim Schutz von biometrischen Daten wie Stimme oder Gesicht keine Gnade und ignoriert dabei auch nicht, ob ein Tool „praktisch“ oder „kostenlos“ ist.
Niemand nutzt CapCut, weil ihm Datenschutz egal ist. Apotheken tun es, weil der Alltag wenig Spielraum lässt. Weil Kommunikation irgendwie auch noch mitlaufen muss – zwischen Rezeptur, Beratung und Notdienst.
Was kann man jetzt noch machen?
Was aber lässt sich tun, wenn man CapCut bereits nutzt – oder ähnliche Plattformen, die still und leise Rechte an Bild und Stimme verlangen? Zunächst braucht es Klarheit. Schauen Sie genau hin, welche Tools Sie in Ihrer Apotheke im Einsatz haben. Prüfen Sie, ob Inhalte in einer Cloud gespeichert werden, ob Mitarbeitende darin vorkommen und ob das verwendete Material eventuell bereits Rechte an Dritte überträgt. Wenn auch nur ein Punkt davon zutrifft, sollten Sie handeln.
Löschen Sie problematische Inhalte aus der Cloud. Holen Sie schriftliche Einwilligungen ein, wo noch keine vorliegen – idealerweise mit konkretem Verwendungszweck, zeitlicher Begrenzung und Widerrufsmöglichkeit. Stellen Sie Ihre Videoproduktion auf Programme um, die lokal laufen und keine Rechte abfordern. Und vor allem: Sensibilisieren Sie Ihr Team. Wer vor der Kamera steht, hat ein Recht darauf zu wissen, wohin sein Bildmaterial gehen könnte.
Das klingt nach Aufwand – ja. Aber es ist ein notwendiger Schritt, wenn Sie Ihre Apotheke nicht nur sichtbar, sondern auch rechtlich sauber und vertrauenswürdig positionieren wollen.
Die Kontrolle zurückzugewinnen beginnt mit einer einfachen Entscheidung: bewusst hinschauen. Der Rest ist umsetzbar. Und lohnend. Denn Ihre Apotheke verdient Sichtbarkeit – aber zu Ihren Bedingungen.
Aber was sind jetzt die Alternativen?
Wer jetzt an Instagram direkt denkt, den muss ich auch hier enttäuschen. Die integrierte „Edits“-Funktion, mit der sich Reels direkt in der App schneiden und gestalten lassen, spart zwar Zeit – doch sie funktioniert nur in Kombination mit einem Upload. Und genau dort liegt das Problem: Die Inhalte werden Teil des Meta-Ökosystems, das in seinen AGB eine weltweite, unbefristete Lizenz für alle hochgeladenen Materialien beansprucht.
Wer auf Nummer sicher gehen will, erstellt seine Videos vor dem Uploadlokal, auf dem eigenen Gerät, mit Tools, die keine Rechte für sich beanspruchen. Erst danach sollte der Upload erfolgen: bewusst, rechtssicher, professionell. Das gibt nicht nur rechtliche Sicherheit, sondern auch innere Ruhe.
Hier einige empfehlenswerte Alternativen zu CapCut und Co:
  • VN Video Editor (iOS, Android, Windows, macOS): Kostenlos, übersichtlich, komplett offline nutzbar. Ideal für Social-Media-Videos aus dem Apothekenalltag.
  • DaVinci Resolve (Windows, macOS): Profi-Schnittprogramm mit hochwertigen Funktionen – auch in der kostenlosen Version mehr als ausreichend für Apotheken.
  • iMovie (macOS, iOS): Perfekt für Apple-User:innen, minimalistisch und zuverlässig.
  • Shotcut / OpenShot (Windows, Linux, macOS): Open-Source, lokal installierbar, ohne versteckte AGB-Klauseln.
  • Instagram Edits – jein: Den auch diese App gehört zum Meta-Ökosystem.
Fazit: Es ist fast unmöglich. Sobald wir mit dem Internet arbeiten, geben wir irgendwo immer etwas von uns preis. Sei es ein Cookie, ein Profilname, eine Bilddatei oder eben ein Video. Aber der Unterschied liegt darin, ob wir das bewusst tun – oder unbewusst. Ob wir entscheiden, was wir abgeben oder ob wir einfach nur zustimmen, weil es schnell gehen muss. Digitale Sichtbarkeit ist wichtig. Gerade für Apotheken, die Nähe und Vertrauen zeigen wollen. Aber sie darf nicht dazu führen, dass wir Stück für Stück die Kontrolle über das verlieren, was uns ausmacht: unsere Stimme, unser Gesicht, unsere Botschaft.